Lebensversicherer im Zeichen der Zinswende
Die aktuelle Marktstudie der Ratingagentur Assekurata hat sich mit den Überschussbeteiligungen und Garantien der deutschen Lebensversicherer befasst. Bereits zum 21. Mal hat Assekurata eine solche Analyse durchgeführt und dabei die Verzinsung der klassischen, neuen klassischen und Indexpolicen sowie der Fondspolicen mit Garantie für die Altersvorsorgeverträge der Kunden vor dem Hintergrund der deutlichen Zinswende im Jahr 2022 genauer unter die Lupe genommen. In diesem Jahr kommt dieser Untersuchung eine besondere Bedeutung zu: Es werden erstmals auch Fondspolicen untersucht, die mit einer Garantie für mehr Renditetransparenz und Kundensicherheit verbunden sind.
Lebensversicherer in Zeiten steigender Zinssätze
Die diesjährige Marktstudie verzeichnete einen leichten Rückgang der Beteiligung, da sich 43 Lebensversicherer anstelle der vorherigen 46 beteiligten. Ihr kumulierter Anteil an den Prämieneinnahmen blieb jedoch mit 70 % hoch. Trotz des Optimismus, dass die höheren Zinsen mehr Unternehmen zur Teilnahme an der Studie bewegen würden, hat sich dies nicht bewahrheitet, so Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will in einer Online-Pressekonferenz zu den Ergebnissen
Die Untersuchung hat zunächst die Bedingungen beleuchtet, die sich 2022 für die Lebensversicherer signifikant ändern werden. Aufgrund der Erhöhung der Leitzinsen, die die Europäische Zentralbank als Reaktion auf die hohe Inflation eingeführt hat, ist die Rendite am Kapitalmarkt deutlich angestiegen. Weitere Zinsschritte sind geplant.
„Die aktuelle Deklarationsrunde der Lebensversicherer ist daher erstmals seit langem wieder von steigenden Marktzinsen geprägt“, erklärte Will. Allerdings werden sich die steigenden Marktzinsen erst langsam in den Überschussbeteiligungen niederschlagen, so Will weiter.
Im Neugeschäft sind Klassik Tarife weniger relevant
Zum Beginn des Jahres 2022 wurde der maximale gesetzliche Verzinsungssatz in der Lebensversicherungsbranche auf 0,25% gesenkt, was es schwierig machte, Garantien in klassischen Lebens- und Rentenversicherungsprodukten zu berechnen.
Um zu sehen, ob die Gesellschaften neue Produkte im Neugeschäft anbieten, hat Assekurata sie gefragt. 26 der 43 Studienteilnehmer boten klassische Produkte an: 14 Unternehmen hatten Kapitallebensversicherungen für das Neugeschäft geöffnet, 13 Versicherer private Rentenversicherungen, 13 Unternehmen laufende Rente, vier Anbieter Riester-Rente und fünf Gesellschaften Basis-Renten.
Dies zeigt, dass klassische Produkte nicht mehr dieselbe Relevanz im Neugeschäft haben wie früher.
Laufende Verzinsung knapp unter 3 Prozent
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass 13 Gesellschaften die Verzinsung der privaten Rentenversicherung im Vergleich zu 2022 angehoben haben, keine haben sie abgesenkt. Im Durchschnitt beträgt die laufende Verzinsung eines Referenztarifs mit einem Garantiezins von 1,25% nunmehr 2,14%, was einem Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 2,01% entspricht. Assekurata beobachtete eine etwas höhere laufende Verzinsung von durchschnittlich 2,26% bei den 13 Unternehmen, die weiterhin klassische Rentenversicherungen anbieten. Wenn alle klassischen Produktarten und Tarifgenerationen berücksichtigt werden, beträgt die Verzinsung 2023 2,62% und ist gegenüber dem Vorjahreswert von 2,55% gestiegen. Laut Will hat es „historischen Charakter“, da dies zuletzt vor 15 Jahren der Fall war. Große Unternehmen wiesen tendenziell ein etwas höheres Verzinsungsniveau auf, was sich im gewichteten Durchschnitt von 2,76% (2,69% im Vorjahr) bemerkbar macht.
Lebensversicherer sind vorsichtig in Bezug auf ihre Überschusspolitik
Der plötzliche Anstieg der Zinsen an den Kapitalmärkten hat sich nicht eins zu eins auf die Überschussbeteiligungen ausgewirkt, was den Eigenschaften des Geschäftsmodells geschuldet ist. Dies liegt daran, dass es einige Jahre dauert, bis höhere Marktzinsen bei den Lebensversicherern ankommen, und auch weil durch die Zinswende Lasten in den Bilanzen entstanden sind. Nach seiner Meinung wundert es deshalb nicht, dass viele Lebensversicherer bei ihren Überschusspolitiken noch zurückhaltend sind, obwohl sich die langfristige Ertragsperspektive mit dem Anstieg der Zinsen verbessert hat.
Keine 100%ige Prämiengarantie mehr – mit einer Ausnahme
In diesem Jahr untersuchte man auch die sogenannte Neue Klassik. Diese Tarife basieren auf einer traditionellen Überschusssystematik und Garantien, die niedriger als in der Klassik sind und normalerweise einmalig angewendet werden. Die meisten Lebensversicherer haben es vorgezogen, die Einlagen nicht vollständig zu garantieren. Nur ein Anbieter bietet weiterhin eine 100%ige Bruttobeitragsgarantie. Die meisten Versicherer bieten stattdessen Tarife mit einer reduzierten Bruttobeitragsgarantie von 90%.
Neue klassische Tarife etwas rentabler
Die derzeitige Verzinsung der untersuchten Neugeschäfte liegt bei durchschnittlich 2,19%, leicht über dem Niveau der klassischen Produkte (Vorjahreswert: 2,05%). Assekurata stellte bei den Anbietern, die Deklarationssätze für beide Segmente angegeben haben, einen Vorteil der Neuen Klassik von 2,31% gegenüber der Klassik mit 2,21% fest. Die Neue Klassik ist auch bei der dargestellten Beitragsrendite im Vorteil, obwohl die Tarife hinsichtlich der Überschussverwendung nicht vollständig ähnlich konzipiert sind. Die Neue Klassik kann die Überschüsse nicht so schnell steigen lassen wie der Marktzins, da die Sparprozesse hier ebenso langfristig ausgerichtet sind.
Verzinsung – Signifikanter Anstieg der Einmalprämien
Die Reaktion der Lebensversicherer auf die angestiegenen Marktzinsen ist unmittelbar im Einmalbeitragsgeschäft wahrnehmbar. Studienergebnisse belegen, dass die Überschussbeteiligungen in den ersten Vertragsjahren im Gegensatz zum Vorjahr deutlich gesteigert wurden. Laut Heermann zeigt sich der Zinsschub bei Einmalbeitragspolicen stärker als bei Versicherungen, die monatliche Prämien beinhalten. Es scheint, dass die Lebensversicherer ein Interesse daran haben, sich mit den Banken in Wettbewerb zu stellen.
Höherer Beratungsbedarf – Chancen und Risiken
Versicherer werden aufgrund der veränderten Bedingungen eine größere Komplexität in Bezug auf ihre Produkte bewältigen müssen. Bei der Präsentation der Studie wurde erklärt, dass es für Kunden nicht mehr ausreiche, sich nur den Deklarationszins anzuschauen. Stattdessen müsse man ein besonderes Augenmerk auf das Produkt, seine Chancen und Risiken legen. Der Beratungsbedarf hat sich dementsprechend erheblich geändert.
Die Aussichten für das LV-Geschäft
Derzeit ermöglicht die extreme Inflation keine positive Realverzinsung bei Lebensversicherungen. Dies ist keine unerwartete Nachricht, sie vergrößert jedoch den Unterschied zwischen dem, was am Kapitalmarkt verdient werden kann, und dem, was Lebensversicherungsprodukte derzeit versprechen. Dies macht es schwerer, klassische Lebensversicherungsprodukte in irgendeiner Form zu verkaufen. Allerdings werden der erhöhte Zinssatz und die ausfinanzierte Zinszusatzreserve langfristig bessere Aussichten für die Lebensversicherungsbranche schaffen.
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